Bloodborne: mystisch, gnadenlos und verdammt fesselnd




Hallo und herzlich willkommen in Yharnam! Genießen Sie ihren Aufenthalt und erleben Sie unvergessliche Momente und bestaunen sie die viktorianische Architektur. Vor allem aber die freundlichen und entgegenkommenden Einwohner dieser idyllischen Stadt… Ach wem mache ich hier eigentlich etwas vor? Bloodborne ist düster, brutal, knallhart, unverzeihlich und bringt den Spieler immer wieder an den Rand der absoluten Verzweiflung. Und trotzdem habe ich jede einzelne Sekunde in den dunklen Gassen Yharnams und dessen Umfeld genossen. Warum? Lest weiter!

From Software Spiele und die Frage nach der Story. Einige sagen, es sind die besten überhaupt, andere wiederum meinen, dass es gar keine gibt. Wenn ich hundertprozentig ehrlich bin, muss ich mich eher der zweiten Gruppe anschließen, denn Lore ist nicht gleich Story. Story ist genau das, was das Spiel WÄHREND des Spiels erzählt. Lore ist das, was dem Spieler durch die Umgebung und Hintergrundinformationen nähergebracht wird. Ihr kommt als Fremder nach Yharnam, da ihr hofft, dass eure mysteriöse Krankheit mit Hilfe der dort praktizierten Blutbehandlungen kuriert werden kann. So unterzeichnet ihr einen Vertrag, der euch fortan dazu verdammt als Jäger durch die Straßen Yharnams zu streifen und allerhand Ungetier zu erlegen. Dazu gibt euch das Spiel einen kleinen Hinweiß: „Sucht Bleichblut.“ Was ist dieses Bleichblut? Was hattet ihr eigentliche für eine Krankheit? Warum ist hier alles voller Monster und durchgeknallter Städter?“ All diese Fragen müsst ihr euch größtenteils selbst beantworten.

Viel Story im grundlegenden Sinn steckt da also nicht drin. Dafür umso mehr Lore. Es gibt riesige Foren, die sich mit der Geschichte Yharnams und seiner Figuren beschäftigen. Sogar eine 90 Seiten lange Abhandlung über die Geschehnisse in Bloodborne existiert (sehr lesenswert übrigens). Dieses Hintergrundwissen wird euch anhand Itembeschreibungen, auffindbare Textschnipsel, die Umwelt und in kryptischen Gesprächen mit den wenigen NPCs übermittelt. Dabei lassen euch die Entwickler jede Menge Freiraum die losen Verknüpfen selbst zusammenzuführen und jede Menge Freiraum für Interpretationen. Es geht um die Entdeckung und Erforschung größere Mächte, den Konflikt zwischen unterschiedlichen Philosophien und ein großes übergreifendes Thema ist der Wahnsinn und die Angst vor dem Unbekannten. Damit werden großartige Parallelen zu H.P. Lovecraft gezogen, dessen Einfluss jederzeit spürbar ist.

Und genau dieses mysteriöse Geflecht aus kryptischen Hintergrundinformationen macht das Fehlen einer herkömmlich erzählten Story mehr als wett. Die Atmosphäre, die in Bloodborne von der ersten Sekunde an aufgebaut wird, ist so unglaublich dicht und greifbar, dass man sich auf Anhieb in dem Spiel verliert. Ich wollte von Anfang an den Geheimnissen dieser Stadt auf den Grund gehen. Das Spiel baut eine regelrechte Sogwirkung auf, dass es schwer ist sich auch nur einen Moment loszureißen. Selbst in meinen zweiten Playthrough fallen mir neue kleine Details und Hinweise auf, die mir die Welt und die Geschichte dieser geplagten Stadt ein Stück näherbringen.

Wer schon einmal ein Souls-Spiel gespielt hat, weiß was ihn hier spielerisch erwartet. Knallharte, unverzeihliche Action. Dabei baut Bloodborne auf den Stärken der geistigen Vorgänger auf und verfeinert diese. Riposten und Backstabs wurden durch Schusswaffen und Eingeweidegriffe ersetzt. Seelen heißen nun Blutechos. Im Kern bleibt sich From Softwarte aber treu. Die Änderungen sorgen allerdings für ein deutlich schnelleres und aggressiveres Gameplay. Vor allem das kurze Zeitfenster in dem ihr verlorene Lebensenergie durch Konter zurückerlangen könnt, sorgt für eine aktivere Herangehensweise an die Kämpfe. Wo wir schon bei der Frage nach dem Schwierigkeitsgrad wären. Bloodborne ist weiterhin bockschwer. Ich hatte zwar das Gefühl, dass vor allem der Einstieg etwas lockerer von der Hand geht, aber nichtsdestotrotz werdet ihr öfters in Gras beißen, als euch lieb ist. Dafür stellt sich nach einem gewonnenen Bossfight auch wieder das gewohnte Hochgefühl ein. Es ist einfach unbeschreiblich einen Boss, der einen immer wieder in den Boden gestampft hat, nach unzähligen Versuchen zu besiegen. Hier wird dem Spieler noch ein echtes Erfolgsgefühl geboten. Auch wenn man gleich im Anschluss wieder zermalmt wird. Dieses „das muss doch zu schaffen sein“-Feeling gepaart mit dem lockenden Erfolgserlebnis sorgen für zusätzliche Motivation.

Eine weitere Glanzleistung ist diese Spielwelt und das grundlegende Design. Die viktorianische Stadt Yharnam mit all ihren dunklen und verwickelnden Gassen und spitzen Dächern sieht einfach großartig aus. Vor allem aber auch das Gegnerdesign ist herausragend. From Software schafft es glaubhafte und gleichzeitig völlig deformierte und groteske Kreaturen zu erschaffen, die einem den einen oder anderen Schauer über den Rücken jagen können. Auch das Design der eigentlichen Spielfigur oder besser Gesagt dessen Kleidung geht voll auf. Wallende Umhänge und fantasievoll gestaltete Waffen fügen sich perfekt in das Gesamtbild mit ein. Vor allem aber die zahlreiche Bossgegner sind schaurig schön anzusehen und werden zunehmend abartiger. Das Art-Style ist einfach großartig.

Zum Glück wurde das ganze auch technisch beinahe einwandfrei umgesetzt. Bloodborne erzeugt glaubhafte und toll anzusehende Kulissen, mit scharfen Texturen und einem hohen Detailgrad. Die Gegner und eure Spielfigur sind butterweich animiert. Allerdings sehen vor allem Gesichter nicht mehr zeitgemäß aus und dass die wenigen Dialoge ohne Lippenbewegungen daherkommen, ist doch ziemlich schwach. Leider verhält sich zudem eure Kleidung hin und wieder etwas merkwürdig und vor allem bei größeren Kämpfen kann es zu Framerate-Verlusten kommen. Abstürze oder größere Bugs sind mir aber nicht aufgefallen. Auf der klanglichen Seite habe ich nichts zu meckern. Alleine wenn in den ersten Minuten der erschütternde Schrei einer der vielen Bestien durch Yharnam hallt, wird klar, was hier klanglich abgeliefert wird. Gegner und Kreaturen geben grauenhafte Laute von sich, eure Waffen schlagen mit ordentlich Bumms und Gore ein. Einfach herrlich! Zudem überzeugt der Soundtrack auf ganzer Linie. Vor allem die Bossfights werden mit brachialen musikalischen Untermalungen begleitet, die den ohnehin schon großen Adrenalinfluss noch verstärken.

Hier das Review nochmal als Video zum genießen:


Ihr seht schon, dass dieser Test länger geworden ist als sonst und dabei kratze ich hier nur an der Oberfläche der Faszination Bloodborne. Was dem Spiel an Story fehlt, hat es umso mehr an Lore und Atmosphäre. Das unverzeihliche, bockschwere Gameplay und das damit einhergehende Hochgefühl nach einem erfolgreichen Kampf sind ungemein motivierend. Die eigentliche Glanzleistung in meinen Augen ist aber tatsächlich das Design. Ich hatte sehr viel leidvollen Spaß mit Bloodborne. Werde mit Sicherheit noch sehr viel mehr damit haben und kann es jedem, der die Herausforderung sucht und eine gewisse Frustresistenz mitbringt nur weiterempfehlen!

Pro:

+ sehr viel spannende Hintergrundgeschichten und Lore

+ mysteriöse Erzählung

+ packende, dichte Atmosphäre

+ herausragendes Art-Design

+ spannendes und knallhartes Gameplay

+ unvergleichliches Erfolgsgefühl

+ fantastischer Sound

Kontra:

- kaum Story im herkömmlichen Sinn

- altbackene Gesichter und fehlende Gesichtsanimationen

- auftretende Framerate-Verluste

- ab und zu etwas merkwürdige Kleidungsphysik

Wertung: 9/10

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